Montag, 14. März 2011

Versuch von Erklärung und Aufklärung (erster Teil)

Meiner letzter Artikel ist entstanden, nachdem sich all der Hass und die Verachtung unseren "Medien" gegenüber lange genug aufgestaut hatte. Aber auch der Gedanke an die Ohnmacht, mit der nicht vernetzte, nicht internetaffine und nicht englischkundige Mitmenschen dem Medienkomplex schutzlos ausgeliefert sind, hatte lange genug Zeit in meinem Hirn zu reifen, bevor ich endlich Gelegenheit hatte diese Gedanken auf meine Tastatur zu kotzen.

Ich war selbst auf Arbeit als am Freitag um 08:17 Uhr die Katastrophe über Japan hereinbrach. Ich wäre auch den ganzen Samstag und Sonntag von 04:30 - 18:30 Uhr dem "Atom-Atom-Stakkato" des Rundfunks ausgeliefert gewesen, wenn ich mir das Wochenende nicht für Büroarbeit freigehalten hätte. So konnte ich wenigstens ab und zu im Netz nach der Realität schauen und meine Kollegen sachlich informieren. Ganz ehrlich, ich fühlte mich wie in "der Matrix", hatte aber zum Glück ein kleines Fenster ins RL.

Ein paar Dinge möchte ich aber nun mal beleuchten, die vielleicht ein wenig zu kurz gekommen sind, die vielleicht immer noch nicht so recht verstanden wurden, oder teilweise munter durcheinander geworfen wurden. Vieles davon ist Spekulation, einiges der Schablonen-Denkweise eines deutschen Konvis (konventioneller Kraftwerker) geschuldet. Vielleicht findet sich ja noch ein Kerni (Kernkraftwerker), der hier was berichtigen oder beisteuern kann. Es würde mich freuen.

Die Abschaltung: Es hieß, dass nach dem Erdbeben (oder währenddessen) die KKW automatisch abgeschaltet wurden. Ich weiß nicht, ob die dort eine seismologische Abschaltautomatik haben. Es könnte sein.
Aber ich denke halt konventionell, und gehe davon aus, dass die Erschütterungen die Begrenzung der Wellenschwingungsmessung überschritten haben und dadurch eine TUSA (Turbinenschnellabschaltung) ausgelöst wurde.
Man muss sich dazu vor Augen führen, dass so ein Turbosatz (Dampfturbine plus Generator plus Erregermaschine) ein -zig Meter langes Präzisonsgebilde darstellt, als dessen Kernstück etliche Tonnen Präzisionsstahl rasend schnell innerhalb sehr enger Spaltmaße rotieren. Wellenschwingungen können dazu führen, dass Resonanzen entstehen und sich immer weiter aufschwingen könnten, bis die Turbine zerstört würde.
Das muss verhindert werden, weil erstens dabei riesige destruktive Energien freigesetzt würden, und zweitens so ein Turbosatz nicht "von der Stange" zu kaufen ist. Es gibt nur sehr wenige Hersteller, die so eine Welle überhaupt noch schmieden können, und die Komplettierung eines ganzen Stranges dauert Jahre. Daher der Schutz, daher (denke ich) die automatische Abschaltung der Turbine, und damit die Trennung des Generators vom angeschlossenen Überlandnetz.

Die Reaktoren hätten in diesem Fall aber immernoch geordnet heruntergefahren werden können, da sie der Turbine ja lediglich "zuliefern" und auch völlig autark betrieben werden können.Schuld an der RESA (Reaktorschnellabschaltung) war meines Erachtens nach der komplette Ausfall der Überland-Stromversorgung.

Der Stromausfall: Normalerweise versorgen sich Kraftwerksblöcke elektrisch autark. Sie zweigen einfach ein wenig (ca 5 - 10%) des eigenen Energieoutputs ab und versorgen sich damit. Wenn, wie oben beschrieben, der eigene Generator keinen Strom erzeugt, muss man sich die Elektroenergie aus dem Überlandnetz holen (über einen sog. Fremdnetztrafo). Das ist der Normalfall bei jedem An- und Abfahren eines Blockes.

Wenn nun aber die Versorgung vom Überlandnetz zusammenbricht, ist kein planmäßig geordnetes Abfahren mehr möglich, da man nun auf die eigene Notstromversorgung angewiesen ist. Diese besteht aus zwei Komponenten. Da sind einmal Notstromaggregate (Diesel, oder Gasturbinen), die mehrfach redundant ausgelegt, auf jeden Fall das gefahrlose Abfahren in einen sicheren Zustand ermöglichen müssen. Damit können alle Hauptkomponenten sicher abgetourt werden.

Sollte diese Notstromversorgung auch noch zusammenbrechen, ist man auf Batterien angewiesen. Das ist sozusagen nur noch ein Lebenserhaltungssystem. Kommunikationanlagen, Leittechnik, Not-Ölpumpen mit Gleichstrommotoren, irgendwelche Notsysteme werden davon für ein paar Stunden gespeist. Damit gewinnt man Zeit, um die eigentliche Notstromversorgung (oder das Fremdnetz) wieder in Gang zu bekommen.

Im Fall Japan haben sich ja nun mehrere Kraftwerke in der selben Region gleichzeitig vom Netz getrennt, das heißt, dass das Netz mangels Erzeugerleistung zusammenbrechen musste. In Deutschland würde das genauso passieren, egal, ob konventionelle oder KKW sich in Massen abschalten.

Die Notstromaggregate waren nun in mehreren Fällen nicht in der Lage, die Wasserversorgung für ihre Kraftwerksblöcke aufrecht zu erhalten, da sie z.B. überspült waren, oder vielleicht erdbebeninduzierte mechanische Defekte auftraten. Das splittet nun schonmal die externen Hilfsmöglichkeiten.
Die Batterien sind, wie gesagt, nur für ein paar Stunden leistungsfähig. Sie sollten aber schonmal etwas Zeit gebracht haben, in der die Reaktoren abkühlen konnten. Aber alles was an Wärme noch übrig ist, muss irgendwo hin weg.

Ende erster Teil

Hier gehts weiter zum zweiten Teil.

2 Kommentare:

  1. Hallo Calimero,

    danke für die sachlichen Erläuterungen. Ich habe am Wochenende bei eitel Sonnenschein im Garten gewerkelt und zum Glück den meisten Medienabschaum nicht gesehen.
    Übrigens, bei SPON heute auch mal ein sinnvoller Kommentar (größtenteils) von Jan Fleischhauer zur Medienausschlachtung der Katastrophe: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,750759,00.html

    Übrigens, vielen Dank für deine Blog-Liste. Diese Blogs lese ich seit einigen Tagen (Zettels schon länger und von dort bin ich auch auf dich hier gestoßen) mit und fühle mich weit besser informiert als zuvor nur mit Zeit und SPON. Gerade jetzt während der Katastrophe waren diese Blogs sehr interessant.

    Viele Grüße
    Daniel

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  2. Hut ab, das sind fundierte Kenntnisse der Kraftwerkstechnik. Die Turbinenabschaltung wegen Resonanz ist ein interessanter, nirgendwo berichteter Problempunkt, allerdings haben japanische und unsere Reaktoren tatsaechlich auch eine direkt getriggerte Erdbebenabschaltung. Die muss auch relativ frueh einsetzen, denn man weiss ja erst hinterher, welche Amplitude ein Erdbeben gehabt HAT (ob es also "ungefaehrlich" geblieben waere), waehrenddessen aber nicht, wieviel es haben WIRD.
    Ich habe mal versucht, das gesamte Ausmass der Japan-Atomkatastrophe, Risiken und Gefahren der Atomkraft und was sie fuer Europa bedeuten hier uebersichtlich zusammenzufassen:
    http://www.dasgelbeforum.de.org/forum_entry.php?id=208864
    Dort auch Hinweise zum Umgang mit radioaktiv verseuchtem Wasser.

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