Montag, 14. März 2011

Versuch von Erklärung und Aufklärung (zweiter Teil)

Wir haben jetzt also mehrere Reaktoren, die mehr oder weniger spannungslos in einem verwüsteten Gelände stehen, und deren externe Stromversorgung sich schwierig gestaltet (auch vor dem Hintergrund, dass es ja gleichzeitig mehrere "Patienten" zu versorgen gilt).

Die größte Sorge gilt nun der Versorgung des Reaktors mit "Kühlwasser", um die nach der RESA noch anfallende Nachzerfallswärme abzuführen. Irgendwo müssen die paar noch entstehenden Megawatt Wärmeleistung ja hin, sonst steigt der Druck im Kessel zu stark an. Dieser ist ja gut isoliert, also gibt er kaum Wärme nach draußen hin ab. Dazu kommt noch, dass der eigentliche Reaktorkern, also die Brennstäbe, möglichst vollständig mit Wasser bedeckt sein sollten, da dieses eine sehr hohe Wärmeaufnahmekapazität hat. Würde sich das Wasser in Dampf verwandeln und nur dieser die Brennstäbe umgeben, wäre die Kühlung nicht mehr gewährleistet. Da hätten wir die Möglichkeit einer Erweichung, Verformung, sogar Verflüssigung der Brennstäbe.

Wenn jetzt immer von fehlendem "Kühlwasser" die Rede ist, dann ist das nur halb korrekt. Das eigentliche Hauptkühlwasser hat mit dem hier gemeinten "Reaktorinhaltswasser", oder "Speisewasser" überhaupt nichts zu tun. Näher erläutert habe ich das in meiner Seite "Gewässerkunde". Da ein Siedewasserreaktor ja im Prinzip das Gegenstück zu einem konventionellen Dampfkessel darstellt, kann man diese Ausführungen da recht gut übertragen.

Hier nur ganz kurz: Es verhält sich mit der Kühlwirkung des Reaktorinhaltswassers genauso wie mit der Kühlwirkung eines Topfs Wasser auf einer heißen Herdplatte. Der kühlt ja auch die Herdplatte, aber eigentlich wollen wir das Wasser ja warm machen.
Das eigentliche Kühlwasser in einem Dampfkraftwerk dient dazu, dem abgearbeiteten Turbinendampf seine Verdampfungswärme zu entziehen und ihn wieder in Flüssigphase zu bringen. Wir haben hier also zwei Paar Schuhe.

So, jetzt siedet also unser Reaktorwasser und der Druck steigt im Pott. Man könnte jetzt den Deckel lüpfen und dadurch Druck abbauen, denn dieser Druck belastet die Reaktoraußenwände. Wenn man dies tut (und das tut man anscheinend ab und zu in Fukushima) entweicht eine kleine Dampfmenge, es baut sich Druck ab, dadurch sinkt auch die Siedetemperatur im Reaktor-Druckbehälter und das verbliebene Restwasser "wallt" kurzzeitig auf. Allerdings muss der Dampfverlust durch Frischwasser ausgeglichen werden, weil sonst der Wasserstand nach jedem Abblasevorgang weiter absinken würde. Siehe oben ... weiterer Verlust an Reaktorwasser, aka Kühlmedium.

Jetzt gibt es zwei Probleme. Der abgeblasene Dampf führt auch kurzlebige Isotope mit sich. Zettel hat das an dieser Stelle sehr schön erklärt. Diese Isotope stammen nicht aus einer Kernschmelze, sondern schwimmen ganz normal in geringen Mengen im Reaktorwasser mit. Das Wasser wird im 24-Stunden-Rhythmus gereinigt, aber ein bissl was ist halt immer.
Das zweite Problem ist, wie bekommt man kühlendes Frischwasser ins System, wenn die eigenen Betriebsaggregate nicht zur Verfügung stehen? Man muss ja den Systemdruck des Reaktors überwinden können und auch noch erkennbare Mengen an Wasser zuführen. Daran arbeiten die Japaner anscheinend gerade, aber so einfach wie mit einer Feuerlöschpumpe funktioniert das halt nicht.

Jetzt ist die Frage, warum man denn den entstehenden überschüssigen Dampf in die Atmosphäre ablässt, statt ihn irgendwo im System wieder zu verflüssigen.
Dazu muss man wissen, dass es solche Bypässe zur Umgehung der Turbine natürlich gibt. Wie schon gesagt, kann der Reaktor ja auch völlig für sich allein rumköcheln. Aber diese Dampfumformer sind erstens auf einen funktionierenden Maschinenkondensator angewiesen (dieser muss von "echtem" Kühlwasser durchströmt sein), und außerdem braucht man wieder Einspritzwasser um die Dampftemperatur im jeweiligen Umformer abzusenken. Dieses Einspritzwasser wird im Normalfall dem Speisewassersystem entnommen, aber das ist ja ausgefallen.

Es fehlt dazu anscheinend auch an Kühlwasser für den Maschinenkondensator. Das kann mehrere Gründe haben. Der Meerwasserzufluss ist durch den Tsunami blockiert, die Kühlwasserpumpen und/oder -leitungen sind durch das Erdbeben beschädigt, oder der Kondensator selbst hat auf irgendeine Weise "Schlamm geschluckt" und die Wärmetauscherrohre sind versackt. Das ist aber alles Spekulation.

Ein Problem das garantiert vorliegt, ist wieder einmal die Stromversorgung. Die Kühlwasserpumpen bringen zwar nicht viel Druck, aber unglaublich viel Fördermenge. Das sind dementsprechend auch riesige Aggregate, die mit THW-Mitteln nicht einfach in Gang zu bekommen sein werden.

Ende zweiter Teil

Hier gehts weiter zum dritten Teil

5 Kommentare:

  1. Danke für die beiden Artikel! Ich verlinke sie auf meinem Blog, um die Breitenwirkung zu erhöhen. Damit die hirnlose Panikmache nicht ganz ohne Widerspruch bleibt!

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  2. Über die Stromversorgung wird viel gesprochen. Ganz verstehe ich das nicht.
    Notstromaggregate gehören zur Grundausstattung des Militärs. Und da Japan gerade keine Feinde hat, könnten die Generatoren in kürzester Zeit am Ort sein. Auch die Radioaktivität (egal ob vorhanden oder vermutet) sollte einen nicht abhalten, weil es beim Militär ja auch Experten mit dem Umgang dafür gibt.
    Weiß jemand wo das Problem liegt?

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  3. Lieber Volker,

    wiedereinmal kann man nur spekulieren. Fukushima 1 Block 1 hat z.B. etwas über 700 MW. Der elektrische Eigenbedarf des Gesamtwerkes dürfte da bei etwa 70 Megawatt liegen. Das geht schonmal nicht mit Notstromaggregaten.
    Einzelne Pumpen könnte man vielleicht versorgen, aber zumindest bei uns sind die größeren Pumpen halt mit 10 kV-Motoren ausgerüstet. Wenn es in dem alten Werk vielleicht 6 kV sind, so ist das immernoch eine verdammt hohe Spannung und ich weiß nicht, wieviele mobile Notstromdiesel da was zustande brächten.

    Dazu kommt halt noch, dass die dort gleich mehrere "Baustellen" haben, und es mit Sicherheit nicht endlos viel an passendem Equipment gibt.

    Ich habe z.B. zu Hause auch ein Notstromaggregat rumzustehen. Das Ding wiegt vielleicht 40 kg und hat eine Ausgangsleistung von ca 2 kW. Damit könnte ich sicherlich TV gucken und Kaffee kochen, der PC würde damit auch laufen - aber schon den E-Herd könnte ich da nichtmal anschließen.
    Auch wenn ich allein unseren Staubsauger da anstöpseln wollte (der hat auch 2 kW Leistung), würde das Not-Aggregat sofort in die Knie gehen, weil es den siebenfachen Anlaufstrom vom Motor garnicht bringen könnte.

    Beste Grüße, Calimero

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  4. Danke für die Erklärung, Calimero.
    Die 10kV fehlten in meiner Denke.

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  5. "Man könnte jetzt den Deckel lüpfen und dadurch Druck abbauen, denn dieser Druck belastet die Reaktoraußenwände. Wenn man dies tut (und das tut man anscheinend ab und zu in Fukushima) entweicht eine kleine Dampfmenge" - nein das haben die garantiert nicht so gewagt, dagegen hat man ab und zu das Containment entlueftet, weil es ueber den Auslegungsdruck belastet war und zwar, weil man Wasser aus dem Reaktorkessel in die Wet- und Dry-Well ablassen musste (aber nicht im Sinne von "Deckel lupfen") und weil sich auch an einigen Reaktoren Knallgas gebildet hatte (Reaktion mit den Brennstaeben wegen Ueberhitzung) - was eigentlich, wenn alles wie oben beschrieben funktioniert haette, sich nie haette in diesem Ausmass bilden duerfen.
    "Diese Isotope stammen nicht aus einer Kernschmelze, sondern schwimmen ganz normal in geringen Mengen im Reaktorwasser mit." Nun, die Mengen der Isotope, die schon relativ frueh nachgewiesen wurden, stammen bereits aus ueberdurchschnittlich undichten Brennstabhuellen, entweder aufgrund nicht vorgesehener mechanischer Belastungen (Druckwellen usw. aufgrund mehrfacher unzureichender Kuehlwassereinspeisungen) wie auch Ueberhitzung. Das "bisschen", das normalerweise im Kuehlwasser ist, stammt aus den regulaeren Brennstab-Bruechen, die sich statistisch nicht verhindern lassen. Dafuer waren die Werte bereits zu Anfang m.E. zu hoch.

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