Was mir davon blieb? Naja, erstmal Kindheits- und Jugenderinnerungen natürlich. Erstes Fahrrad, erster Kassettenrekorder (ein völlig abgenudeltes Gerät, welches mir ein West-Onkel schenkte), das erste Moped vom Jugendweihegeld ... na und natürlich der erste Kuss und auch weiterführende Kontakte zu hübschen Mit-DDR-lerinnen.
Ansonsten bleibt mir selbstverständlich dieser interessante Aspekt meiner Vita, der mich von Millionen anderer Bundesbürger unterscheidet und ein nicht unbedingt alltagstaugliches (eher ziemlich mangelhaftes) Englisch. Dafür kann ich aber kyrillisch lesen, Ätsch!
Eine Sache aber verfolgte mich, bis ich gestern endlich auch mit diesem leidigen Thema abschließen konnte. Vor ca 23 Jahren erlebte ich nämlich einen massiven Bruch in meiner bis dato doch recht guten Schülerkarriere und es bedurfte ausgerechnet eines west-sozialisierten Bloggers, der mir ganz nebenbei mal zeigte, was ich damals falsch gemacht habe.
Man hatte mir das "Abzeichen für gutes Wissen" in Silber verwehrt! Das war an sich schon demütigend, weil ich solche Firlefanz-Auszeichnungen normalerweise nebenbei mitnahm, aber es war auch meine erste richtig böse Erfahrung mit dem sozialistischen Erziehungssystem. Mein Klassenlehrer war stocksauer und meine Russischlehrerin (nebenbei wohl auch Parteisekretärin der Schule und später als IM enttarnt) fiel vor versammelter Mannschaft über mich her. Nicht dass sie mir gesagt hätte, dass ich leider versagt habe, während Müller, Meier, Schulze bestanden hätten ... nein, ich durfte mich hinstellen und wurde angeschnauzt, wie ich mich erdreisten könne, was mir einfiele, was ich mir dabei gedacht habe und welch bodenlose Frechheit ich doch da an den Tag gelegt hätte. - Das war schon hart für einen Vierzehnjährigen.
Was war geschehen? An die Anforderungen für das bronzene Abzeichen erinnere ich mich nicht mehr, aber für das silberne musste man einen Aufsatz schreiben. Dafür waren irgendwann mal etwa 5-6 Fragen im Schul-Schaukasten ausgehängt, von denen man sich eine zur Beantwortung aussuchen konnte.
Alle Fragen hatten irgendwas mit Marxismus/Leninismus zu tun und waren, wie wir das allgemein nannten "rote Knete". Nur eine Frage interessierte mich. Diese lautete sinngemäß etwa so: Warum gibt es auch im Sozialismus noch Neid, Missgunst, Vorteilsnahme und dergleichen? Heute würde man wahrscheinlich fragen, warum es immer noch keine soziale Gerechtigkeit gäbe.
Ja hossa, da fiel mir doch was ein! Kein Problem, ich setzte mich also zu Hause hin und beschrieb zwei bis drei Seiten Karo-Papier. Der Aufsatz liegt mir grad nicht vor, aber ich bin mir sicher, dass mein Vater ihn irgendwo archiviert hat weil er so richtig stolz auf seinen Filius war, als dieser ihm sein Ergebnis vorlegte. Ich schrieb mir darin alles vom Leibe was ich so von den Erwachsenen mitbekommen hatte. Dass SED-Kader überall bevorzugt würden, dass Funktionäre Privilegien genossen die die anderen natürlich neidisch machten, dass "Beziehungen" hierzulande wichtiger wären als Leistung usw.
Im Nachhinein kann ich mir vorstellen, welche Bombe ich da abgegeben hatte, aber damals war ich mir keiner Schuld bewusst. Ich wollte doch nur aufzeigen was damals schief lief in unserem Land!
Jetzt erst, 23 Jahre später, hat mir der hochgeschätzte Bloggerkollege Zettel die korrekte Antwort auf diese Wissensfrage geliefert. Vielmehr kennt er die Ergüsse des DDR-Urvaters Marx besser, als der vierzehnjährige Calimero nach acht Jahren Indoktrination durch das sozialistische Schulwesen der DDR:
Womit wir es [bei der "genossenschaftlichen, auf Gemeingut an den Produktionsmitteln gegründeten Gesellschaft", also im Sozialismus; Zettel] hier zu tun haben, ist eine kommunistische Gesellschaft, nicht wie sie sich auf ihrer eignen Grundlage entwickelt hat, sondern umgekehrt, wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht, also in jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig, noch behaftet ist mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt. Demgemäß erhält der einzelne Produzent - nach den Abzügen - exakt zurück, was er ihr gibt. (...)Tja, nun weiß ichs. Ein bissl zu spät zwar, aber für das nächste Experiment zur Einführung des Kommunismus bin ich jetzt besser gerüstet. Nur noch schnell als Hardcopy speichern, denn freien Internetzugriff dürfte es im nächsten Sozialismusversuch wohl kaum noch geben.
Bei gleicher Arbeitsleistung und daher gleichem Anteil an dem gesellschaftlichen Konsumtionsfonds erhält also der eine faktisch mehr als der andre, ist der eine reicher als der andre etc. Um alle diese Mißstände zu vermeiden, müßte das Recht, statt gleich, vielmehr ungleich sein.
Aber diese Mißstände sind unvermeidbar in der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft [also dem Sozialismus in der Terminologie des DIAMAT; Zettel], wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft nach langen Geburtswehen hervorgegangen ist. Das Recht kann nie höher sein als die ökonomische Gestaltung und dadurch bedingte Kulturentwicklung der Gesellschaft.
In einer höheren Phase [dem, was im DIAMAT "Kommunismus" genannt wird; Zettel] der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen - erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!
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