Montag, 1. August 2011

Schäubléagols Schatz

Und wieder schlägt Wolfgang Schäuble zu. Nachdem er schon mit dem schönen Vorschlag brillierte, dass Griechenland sich durch Solarstromexporte nach Deutschland finanziell sanieren solle, und er vor kurzem erst feststellte, dass die Pleiteländer doch Teile ihrer souveränen Hoheitsrechte an die EU abtreten sollen, kommt er jetzt mit etwas neuem aus der Deckung.

Schäuble ist derzeit definitiv der Kistenteufel der bundesrepublikanischen Regentschaft. Ich weiß nicht, ob Angela Merkel ihn ab und zu ins Rampenlicht schiebt um die darauf folgenden Reaktionen zu testen, bzw ihre eigenen Worte und Taten anschließend als nicht "so weitgehend" zu präsentieren, oder ob er aus eigenem Antrieb handelt. So als Pfadfinder des Schreckens, als Gollum der schwarz-gelben Regierungshobbits. Schäubléagols EU-Superstaat als "Ring, sie zu knechten" ... gar keine so keine abwegige Vorstellung.

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung machte er nun endgültig klar, was er von nationalstaatlicher Souveränität der Euro-Länder, und von "den Märkten" als Feinden der Politik so hält. Nämlich gar nichts:

Kein Land darf den Euro verlassen, warnt Finanzminister Wolfgang Schäuble. Sonst wäre die Macht der Märkte über die Politik grenzenlos.

Oha, die Eurozone als Trutzburg. Alles hinter die Mauern, alles hört auf ein Kommando! Wenn wir uns schön zusammenkuscheln, können uns "die Märkte" nichts mehr anhaben!
Die Frage muss erlaubt sein, wieso die Politik sich eigentlich von den Märkten abhängig gemacht hat. So als finanzieller Selbstversorger mit dem auskommen was man selbst erwirtschaftet hat, bzw eigentlich mit dem, was die Untertanen so erwirtschafteten - das ging ja anscheinend auch nicht. Und nun hat man sich so dermaßen verschuldet, dass die Forderungen der Märkte richtig wehtun.
Die Lösung: Wir verrammeln die Tore, bemannen die Zinnen, und helfen uns ab jetzt gegenseitig. Klar doch.

Jeder Festungsbäcker legt schonmal drei Brote in die allgemeine Vorratskammer. Brote, die er in den nächsten Monaten ganz bestimmt backen wird.Dafür bekommt er dann in drei Jahre auch ein Paar Sandalen vom Schuster, der schon jetzt kein Leder mehr hat.
Wenn wir zusammenstehen sollen die Märkte doch mal kommen ... die brauchen wir nicht. Haben doch alles im Griff.

Echt jetzt? - fragt die FAS:

FAS: Herr Schäuble, haben wir vor zehn Tagen den letzten Krisengipfel zur Rettung des Euro erlebt?


Das letzte Treffen zum Euro sicher nicht. Aber so dramatisch war das doch gar nicht letzte Woche!
Nö, gar nicht. Alles kein Ding, meinte Schäuble gestern. Heute allerdings liest man im Handelsblatt folgendes:
Kaum hat die EU das Rettungspaket 2.0 für Griechenland beschlossen, denken Politiker über eine weitere Aufstockung der Euro-Hilfen nach: Es gibt immer weniger Einzahler - weil weitere Staaten wackeln.
Na, müssen die Bäcker jetzt noch mehr virtuelle Brote einlagern? Damit die Selbstversorgung der Euro-Verteidiger nicht stockt? Ja, ihr werdet sie schon besiegen, diese blöden Angreifer. Politik kann schließlich alles.

Schäuble schaut darum schonmal in die Zukunft:

FAS: Wenn wir in die fernere Zukunft schauen: Wie sieht Ihr Leitbild von Europa aus?


Ich sehe ein starkes und stärker geeintes Europa. (Genau, wir sind ja schon auf dem besten Weg zu Stärke und Einigung.) Natürlich können wir nicht alles von heute auf morgen verwirklichen. Der Souverän, also die Bevölkerung, muss bereit sein, Kompetenzen der Nationalstaaten an die Europäischen Institutionen abzugeben. (Ärgert sich der Souverän nicht schon genug mit den wenigstens theoretisch abwählbaren Protagonisten seiner nationalen Regierungen herum? Welche Verbesserungen wären denn da wohl durch demokratisch nicht legitimierte Zentralbürokratie-Herrscher zu erwarten?) Solange es keine europäische Öffentlichkeit gibt, solange es für die Bevölkerungen viel wichtiger ist, wer in den einzelnen Mitgliedstaaten regiert, können wir beispielsweise die Finanzpolitik nicht einfach auf Europa übertragen. (Welche Finanzpolitik? Die griechische, spanische oder französische? Oder muss es die deutsche sein, weil unter den Blinden ja der Einäugige König ist?)*
*Hervorgehobene Einschübe sind aus meiner Feder


FAS: Wie wollen Sie das ändern?


Ich wünsche mir die Direktwahl eines europäischen Präsidenten. Dann werden wir schon bei der ersten Wiederwahl ein sehr viel stärkeres europäisches Bewusstsein haben.
Hey, das ist ja toll! Grandios! Ein europäischer Präsident muss her. Warum kein König, Kaiser oder Bürgermeister? Oder vielleicht lieber ein Generalsekretär des Zentralkommitees der EEPdEUdSSR?
Ein europäischer Ban Ki Moon, als legitimer Nachfolger, und in der Tradition eines Herman van Rompuy?

Wow! Na da warten wir ja alle drauf. Ein europäischer Bewusstseinsverstärker in der Person irgendeines Politkaspers, dessen Reden und Aussagen ca 90 Prozent seines Wahlvolkes nur per Übersetzer verstehen werden. Einer, den, wie die diversen UNO-Grüßauguste, jeweils vor und nach seiner Amtszeit kein Schwein kennt.
Na, da werden die Mauern der europäischen Festung ja vibrieren vor Freude.

Jetzt frage ich mich aber, wer den wählen soll. Das europäische Volk, welches es nicht gibt? Aus welchem Land könnte der überhaupt kommen? Aus einem jetzt schon als zu mächtig angesehenen Land wie Deutschland wohl kaum. Wieder ein Franzose? Ein Luxemburger, oder Belgier?
Hätte Václav Klaus eine Chance, Nigel Farage, oder gar Geert Wilders?

Nö, ich denke es würde auf die Wahl zwischen fünf Unbekannten aus der europäischen Politiker-Ablagehalle hinauslaufen. Zwei Frauen, drei Männer; kommunistisch, grün, sozialdemokratisch, "konservativ" und parteiliberal. Das ganze so ein bissl gleichmäßig über die Klein- und Mittelstaaten verstreuselt, und am Ende steht der "Sieger" mit 4,27 Prozent Zustimmung der versammelten Festungsbewohner fest.

Es würde (wie immer) ein Egalwer.

Schäuble, geh in Rente. Du hattest deine Zeit.

7 Kommentare:

  1. Schäubles Euro-Mauer als antikapitalistischer Schutzwall. Es gab wohl Gründe, warum man die Bundesregierung von Bonn nach Berlin übersiedelt hat ...

    AntwortenLöschen
  2. Habe Schäubles Interview in der letzen FASZ gelesen. Nur Ausweichen, keine Frage beantwortet, Verschleierung, Rauch - schrecklich. Der Mann verdient überhaupt kein Vertrauen mehr. Er scheint der Verteidiger des wieder einmal bankrotten Politikmodells zu sein, das in einem Strudel von Verschuldung untergeht, weil es gelungen war, fiskalische Disziplin irgendwann als unmodern gelten zu lassen. Nur, Napoleon hatte Recht: Wer alles verteidigt, verliert alles. Statt die peripheren Lasten abzuwerfen, die im Rahmen des Euro null Chancen haben, werden wir in deren Verteidigung so viel (auf Kredit) investieren, daß für den Kern dann, wenn es wirklich darauf ankommt, nichts mehr übrig bleibt. Als hätte es das noch nie gegeben - aber haben die derzeitigen Politiker eigentlich noch Geschichte gelernt?
    Leider wird die Zukunft für uns bitter.

    AntwortenLöschen
  3. Bei Schäuble habe ich das Gefühl, dass er sich im Primat der Politik festbeißen wird, bis man ihn leblos aus einer Sitzung, einem Gipfeltreffen, oder von einer Bühne rollt.
    Der Mann kann einfach nicht mehr anders. Der ist unfähig, anders als als in politischen "Möglichkeiten" zu denken. Daher diese Wagenburgmentalität gegenüber angenommenen Angreifern aus dem Markt.

    Ökonomische Naturgesetze gelten nicht vor dem Primat der Politik, das Selbstverwaltungsrecht der Völker auch nicht. Schäuble wird sich niemals damit abfinden können, dass Politik manchmal einfach machtlos ist. Und darum ist er so gefährlich in meinen Augen.

    AntwortenLöschen
  4. Es gibt, das ist jetzt unterhalb der Gürtellinie, bestimmte Vergleiche mit Günter Mittag.

    AntwortenLöschen
  5. Die Macht der Märkte hat auch schon über den RGW triumphiert. Was glaubt dieser Sozialist, was der Welthandel tun wird? Um die EU einen Bogen machen? In einem gesunden Körper wohnt auch ein gesunder Geist.

    AntwortenLöschen
  6. Nö, ich denke es würde auf die Wahl zwischen fünf Unbekannten aus der europäischen Politiker-Ablagehalle hinauslaufen. Zwei Frauen, drei Männer; kommunistisch, grün, sozialdemokratisch, "konservativ" und parteiliberal.

    Das klingt mir nach einer ziemlich gut Bekannten: Angela Merkel kann das alles und sie ist mit Sicherheit nach der nächsten Bundestagswahl auf Jobsuche.

    Es könnte allerdings sein, dass ihr die Gazprom ein besseres Angebot für ihre großen Verdienste macht.
    Geert Wilders, der Gottseibeuns, der Leibhaftige, wäre natürlich der ideale Gegenkandidat, aber dazu wird es niemals kommen, eher teilt er das Schicksal von Fortuyn und van Gogh.

    Und Schäuble: Ohne Worte.

    AntwortenLöschen
  7. Das wichtigste bei einer Direktwahl wäre die Frage nach dem Nominierungsprozeß. Nur, was Schäuble vom freien Wettbewerb hält, hat er ja schon gesagt ...

    Ich würde Vaclav Klaus wählen, aber wer glaubt denn ernsthaft, dass solch ein Kandidat eine faire Chance bekommt?

    Außerdem wird nicht jede Stimme in Europe gleich viel wert sein - ist ja jetzt schon so. Auf solche Wahlen ist ges*****en.

    AntwortenLöschen