Ich liebe ja diese sinnlosen Plakataktionen, die unser Auge allüberall im öffentlichen Raum erfreuen. Durch diese haben jede Menge Plakatgestalter und -kleber Lohn und Brot, und auch vielen kuschligen Entscheidergremien, sowie den vorbereitenden Kampagnengestaltern geht so nie die Arbeit aus.
Hübsch sind die allgegenwärtigen, bunten "Machs mit!" Werbeflächen, welche uns die konsequente Benutzung von Kondomen nahelegen wollen. Sogar witzig sind manche davon. Allerdings würde die strikte Befolgung dieser ständigen Aufforderung irgendwann darin enden, dass schlicht keine Adressaten im richtigen Alter mehr davon angesprochen werden könnten. "Deutsche - schafft euch ab!" könnte es da genausogut heißen.
Aber zum Glück ignorieren doch noch genug hormongesteuerte Menschen die Empfehlungen der staatlichen Gesundheitsaufklärer.
Toll sind auch die Autobahnschilder, die im Befehlston ein "Runter vom Gas!" fordern. Da stelle ich mir manchmal die blöden Gesichter derer vor, die aufgrund solcher Ablenkung wirklich mal zusammenrauschen könnten.
Gerade Strecke, freie Fahrt, ein bissl zuwenig Sicherheitsabstand ... und dann geht der Erste wirklich vom Gas.
Der Zweite erschrickt und bremst, und der Dritte schiebt die Fuhre dann genüsslich zusammen, weil er beim Entziffern des Kleingedruckten auf dem Schild ein wenig zu abgelenkt war. Rrumms!
Jetzt gibt es aber was neues. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben. Wenn man sich die Bilder dazu anguckt, könnte die Aktion auch heißen "Zeig' den Finger!" oder "Fühl dich nochmal wie ein Achtjähriger!", sie heißt aber "Deine Waffe gegen Gewalt", oder in der Nebenerklärung "Zivilcourage zeigen".
Okay, man zeigt also jetzt Zivilcourage, indem man mit der Hand eine Pistole formt und dabei selbstsicher grinst. Also meine Eltern hatten mir derlei Gesten noch strikt untersagt, denn "Sowas macht man nicht!".
Als Kind erschien mir das Verbot meiner Erziehungsberechtigten dabei immer ein wenig albern, denn ich wusste ja genau, dass so eine Fingerpistole für niemanden wirklich eine Bedrohung darstellt. Damit kann man ja keinem wehtun, sowas ist doch keine echte Waffe.
Tja, so ändern sich die Zeiten. In unserer Weichwurst-Gesellschaft sollen sich nun die Erwachsenen mit dem ausgestreckten Zeigefinger bewaffnen und damit couragierte Handlungsfähigkeit demonstrieren. Howdy, I'm your safeguard.
Nuja, eigentlich meinen die Kampagneros damit, dass der zivilcouragierte Bürger sich bei Gewaltvorfällen in der Öffentlichkeit lieber nicht selbst ins Getümmel stürzen soll, sondern per Knopfdruck Hilfe heranorganisieren möge. Nicht im Infight entscheidet man den Kampf, sondern durch die Heranführung von Verstärkung.
Das ist ehrlicherweise auch gesünder, denn früher gab es beim beherzten Einschreiten maximal selbst was auf die Glocke, während heute die in ihrem Tun gestörten "erlebnisorientierten Jugendlichen" durchaus auch gleich das Cold Steel zücken könnten.
Die Frage ist jetzt, ob nicht auch ohne die Plakataufforderung schon Leute auf die Idee hätten kommen können, dass man angesichts eines Gewaltausbruchs auf einen Notrufknopf drücken könnte. Oder dass man das Handy nicht nur für "coole Apps", sondern auch für Notrufe benutzen kann.
Also die Anschlussfrage: Gibt es eigentlich genügend Notrufknöpfe, und was passiert denn, wenn man einen solchen betätigt? Muss man dann die vier W-Aussagen abspulen können (Wer meldet, was ist passiert, wo ist es passiert, wieviele Verletzte)? Und wer kommt dann zur Hilfe? Ein älterer Schaffner? Zwei unterbezahlte Wachleute, die sich für das bisschen Geld sicher auch nicht in Gefahr bringen werden (und zudem noch wissen, dass sie ganz schnell verklagt werden könnten wenn sie einem bösen Jungen die "Alpha"-Jacke beschädigen sollten)?
Oder kommen dann nach fünf Minuten doch Toto und Harry angehetzt um wenigstens noch Erste Hilfe zu leisten?
Hm, ich denke, dass die offizielle Aufforderung, zur Waffe der Zivilcouragierten zu greifen eher so eine Art Legitimation für beherztes Nichteingreifen bedeutet. Wenigstens man selbst behält eine heile Haut, hat dabei aber trotzdem nicht das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben.
Das ist prinzipiell auch in Ordnung so. Nur sollten potentielle Gewaltopfer sich angesichts dieser Plakate auch gewiss sein, dass sie im Fall der Fälle für endlos lange Minuten komplett auf sich selbst gestellt sein werden.
Wenigstens hat man's nun auch in bunt.
P.S. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll schnellere und entschlossenere Hilfe dadurch aktiviert werden können, dass man beim (dann möglichst anonymen) Notruf bestimmte Codeworte gebraucht. Die Erwähnung von "Aufmarsch", "Parolen skandieren", "NPD" oder "Skinheads" soll z.B. das sofortige Ausrücken mehrerer Einsatzhundertschaften der Berliner Polizei auslösen.
Anderswo hat man wirklich was zum Zeigen. Guckst Du hier.
AntwortenLöschenLOL! Das Foto ist mit Sicherheit nicht in England entstanden.
AntwortenLöschenMit diesen Jungs tät' ich auch gern feiern ;)
Es wird Zeit, dass wir mal wieder über die geistigen Brandstifter reden! Londons Burning
AntwortenLöschenIch habe in Berlin studiert,ist zwar schon etwas her, aber damals schon war es schwer vorstellbar, das jemandem bei Gewalt in der U-Bahn geholfen wurde. Schon gar nicht von BVG-Angestellten. Ist das heute anders ?
AntwortenLöschenLieber Calimero,
AntwortenLöschenlese ich da einen gewissen Spott in Ihrem Beitrag? Das geht gar nicht!
Wenn sich nun jemand eine Waffe besorgt um Leute umzubringen, und der hat bei Ihnen herausgelesen, die Fingerpistole wäre eventuell nicht richtig wirksam, wer ist dann der geistige Brandstifter, der solchen Taten erst den Boden bereitet?!? Autobahn!
Und mit falschem Nazialarm sollte man auch keine Scheze treiben, nur weil da vielleicht jemand ausgeraubt oder ermordet werden soll. Raub und Mord mögen ja schlimm sein, aber doch bestimmt nicht so schlimm wie ein Aufmarsch von ein paar wenigen NPD-peoples!
Nein, nein! Diese mutige Idee, kreiert von Heldem im klimatisierten Büro, verdient Unterstützung!
Die Mitglieder der Sozialindustrie sollten sofort an die sozialen Brennpunkte geschickt werden und Ihrer Kundschaft dieses Zeichen zeigen. Und die Mitglieder des Senats sollten sich dieser Aktion solidarisch anschließen, um die armen überlasteten Sozialarbeiter ein wenig zu entlasten! Alles andere wäre gaaanz unsäglich uneträglich!
Gruß, H_W