Freitag, 12. August 2011

Kultur und Medien auf tugendhaftem Ökopfad

"Die Stadt als Steckdose" titelt der Tagesspiegel und stellt ein Projekt vor, in welchem der Fahrtwind von U-Bahnen als Energiequelle genutzt wird. Wieder einmal sind es Künstler, die "Bewusstsein" erzeugen wollen, und wieder sind es Journalisten, die darob ganz entzückt sind. (im Artikel selbst übertreibt man es nicht so sehr, aber der Radiomoderator, der gerade darüber berichtete war schwerstens enthusiasmiert)

Ach, was könnte man doch nicht alles Grandioses anstellen um (zum wiederholten Male) irgendwelche x Kraftwerke überflüssig zu machen, mag der Utopist da denken. Man muss es nur wollen, nur Ideen haben, und diese Ideen konsequent umsetzen. Wenn es die blöden Kapitalisten nicht tun, dann muss halt die künstlerische Avantgarde beweisen, dass eine bessere Welt möglich ist.

Ganz ehrlich, ich finde solche Installationen eigentlich prima. Ob die da nun mit U-Bahn Fahrtwind ein paar Windräder antreiben, oder ob ein Supermarkt seine Ladenkassen mittels kinetischer Straßenplatten mit Strom versorgt - die Ideen sind zunächst mal interessant. Auch die Möglichkeit sein Handy mittels abgezapfter Lichtenergie von Leuchtreklamen aufzuladen finde ich originell. Das Künstlerduo bastelt ja verschiedene Arten von "Harvestern" um an städtischen "Energielecks" ein bissl Strom zu gewinnen, was ich lustig, cool oder spannend finde.
Okay, Nutzen und Aufwand stehen in keinem vertretbaren Verhältnis zueinander, aber dafür ist es ja auch Kunst. Eben kein wirtschaftlich nutzbares Konzept.

Was mich dabei aber immer wieder nervt, ist die blühende Phantasie der berichtenden Medienmenschen. Da wird dann halt die Stadt zur Steckdose und der hochgradig erregte Vertreter der labernden Zunft rechnet irgendwelche Mini-Stromausbeute auf alle ihm bekannten "Energielecks" hoch. Was man da nicht alles machen könnte!

Ich weiß nicht, ob die ersten Solartaschenrechner und -armbanduhren eine ebenso große Verzückung hervorgerufen haben und ob damals auch die weltweite Energieeinsparung in abschaltbare Kernkraftwerke umgerechnet wurde, aber heutzutage befindet sich die Journalistenschar im permanenten Ökotopia-Wahn. Die derzeit grüne Epoche weist dabei durchaus Ähnlichkeiten mit dem vergangenen roten Zeitalter auf.
So wie die sozialistische Kunst den neuen Menschen und das rot-goldene Zeitalter pries und die fortschrittlichen Journalisten begeistert darüber berichteten, haben wir heute halt das Gleiche in Grün.

Es ist aber nicht nur der ideologische Aspekt bei der Sache, der mir so auf den Zünder geht. Es ist auch die praktische Seite die bei der Berichterstattung ständig unter die Räder kommt. Natürlich schiebt eine U-Bahn einen Schwall Luft durch den Tunnel, welcher dann als Fahrtwind auf dem Bahnhof spürbar ist. Aber wenn man diese Luftbewegung konsequent ausnutzen will und die Energie daraus "ernten" möchte, ist es letztlich die U-Bahn selbst, die diese Energie erst einmal zusätzlich ins System eintragen muss. Die künstlerischen Propeller für die Bahnhofsbeschallung werden sozusagen indirekt aus dem Bahn-Stromnetz gespeist.

Mein Vorschlag für energiesparwütige Journalisten wäre nicht ganz so sexy, würde aber wirklich was bringen. Wenn ihr in Zukunft ganz auf gekühlte Getränke verzichtet, und jeden Liter Wasser, den ihr heiß machen wollt vorher auf eure eigene Körpertemperatur bringt, dann habt ihr da etliche Kilojoule an Energie gespart. Ganz wirklich, und kaum mit Aufwand verbunden.

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