Das Thema Mindestlohn erregt mal wieder die Gemüter. Die Koalition schickt sich an auch noch die letzten Spezialgebiete der rot-grünen Opposition einzuhegen und eigene schwarz-gelbe Pflöcke einzurammen.
Wenige trauen sich noch dagegen aufzubegehren, riskiert man doch sofort das Stigma der sozialen Kälte. Und wir wollen doch lieber alle als warmherzige Kuscheltierchen wahrgenommen werden, oder?
Jetzt hat sich Volker Zastrow, FDP-Vize aus Sachsen,
zu Wort gemeldet und erklärt, warum er den Antrag zur Positionierung der FDP mit dem Titel "Leistungsgerechtigkeit durch faire Löhne" im Präsidium abgelehnt hat.
Ihm sei kein funktionierendes Modell zur Einführung von Lohnuntergrenzen bekannt, sagte er, und sinngemäß, dass politischer Einfluss die notwendigen regionalen Differenzierungen (unterschiedliche Lebenshaltungskosten) außer Acht lassen würde. Dies könnte zur Arbeitsplatzvernichtung vor allem im strukturschwächeren Osten der Republik führen.
Verfechter der reinen Lehre sagen auch manchmal einfach nur knapp und klar, dass ein Mindestlohn dem Arbeitsverbot für Geringqualifizierte gleichkäme. Und da haben sie Recht. Ludwig von Mises sagte zur nicht marktgerechten Anhebung von Löhnen folgendes:
"Als Folge davon kann ein beträchtlicher Teil der Arbeitswilligen nur beschäftigt werden, wenn es Arbeitgeber gibt, die bereit sind, mit Verlust zu arbeiten. Und da Unternehmen auf die Dauer nicht mit Verlusten arbeiten können, schließen sie ihre Betriebe und die Leute werden arbeitslos. Die Festsetzung der Löhne über dem Niveau, das sie in einem freien Markt hätten, endet immer mit der Arbeitslosigkeit eines beträchtlichen Teils der Arbeitswilligen." (Mises, "Vom Wert der besseren Ideen", S.95)
Nun ist man es hierzulande ja mittlerweile gewohnt, dass absehbar eintretende Konsequenzen von politischem Handeln nicht gesehen werden, oder nicht akzeptiert werden wollen. Man rührt erstmal etwas ein, guckt sich dann an was passiert und geht davon aus, dass man bei unliebsamen Ergebnissen wiederum politisch gegensteuern kann. Fahren auf Sicht als Strategie.
Es ist aber schon erstaunlich, wie die bestehende Realität bei solchen Kuschelforderungen ausgeblendet wird. Zunächst haben wir ja schon einen Mindestlohn in Deutschland. Er nennt sich soziale Grundsicherung nach SGBII, oder umgangssprachlich HartzIV. Damit ist die Lebenshaltung in einem Maße gesichert, wie sonst wohl kaum noch auf der Welt. Das ist die Untergrenze dessen, was man in diesem Lande für ein menschenwürdiges Dasein braucht - ein darunter gehender Lohn existiert nicht.
Wer Spaß daran hat kann ja mal einen monatlichen HartzIV-Regelsatz inclusive aller vom Amt übernommenen Leistungen (Miete etc.) gegen einen Monatslohn mit 40-, 35 oder 25-Stunden-Woche aufrechnen.
Und jetzt sollte man mal einen Blick auf die Berufe werfen, die hier am Schlechtesten bezahlt werden, und das Ganze zusätzlich noch aus der Sicht eines Arbeitgebers betrachten. Dieser hat ja nicht nur die Löhne zu bezahlen, sondern auch noch allerlei andere Abgaben zu leisten, die schon vor allem staatlich verschuldet sind!
Ich hatte z.B. vor Kurzem einen Minidefekt am Auto. Der Werkstattmensch schaute sich das an, sagte dass das Austauschteil knapp 20 Euro kosten würde, dazu noch ca 10 Minuten seiner Arbeit ... naja, würde so um die dreißig Euro kosten. Der Handschlag kostete mich dann aber letztendlich ungefähr 75 Euro.
Nach Aufrechnung von allem Krimskrams, den der Werkstattbesitzer so zu tragen hat (und natürlich auf mich, den Kunden, umlegen muss) stand da ein Betrag auf der Rechnung, der es mich überlegen lässt, ob es mir das wert war. Wahrscheinlich hätte ich das auch selbst machen können, oder irgendein technisch versierter Bekannter - für 'nen Zehner auf die Kralle.
Es ist ja nicht so, dass der Monteur oder irgendein anderer Angestellter die Kohle bekommt, wenn erstmal die eingesetzten Materialkosten abgezogen sind. Es ist auch nicht so, dass nach Abzug der Arbeitskosten der Rest als Unternehmerlohn eingesackt wird. Nö, da sind Kapitalkosten zu tragen, die Energiekosten zu bezahlen, allerlei Abgaben an Kammern, Berufsgenossenschaften, Versicherungen zu leisten, Steuerberater und die Aufbereitung für die Bundesstatistik kosten Geld, und nicht zu vergessen, die Abgaben für die Sozialversicherungen des Angestellten. Auch den euphemistisch so genannten "Arbeitgeberbeitrag" muss der Arbeitnehmer schließlich mit erwirtschaften.
Also hat mein Monteur nun einen Lohn von 75 Euro minus den 20 Euro für das Teil? 55 Euro für 10 Minuten Arbeit - also eine Stundenvergütung von 330 Euro? Eher nicht. Hat er brutto 20 €/h? Vielleicht. Bleiben ihm letztendlich 12-13 €/h netto? Ja, das könnte hinkommen.
Wo ist der Rest? Wahrscheinlich zum geringsten Teil bei seinem Arbeitgeber selbst.
In der öffentlichen Debatte wird dieser Hintergrund allerdings tunlichst ausgeblendet. Da gibt es nur die mies bezahlte, ausgebeutete Kreatur und dessen Chef, den knauserigen Blutsauger, der seinen tollen Mitarbeitern nicht die Butter aufs Brot gönnt. Ist es nicht so?
Man muss den knickerigen Boss nur dazu zwingen, seine Angestellten besser zu bezahlen, dann wird alles gut.
Aber schauen wir uns doch mal die angeblich schlechtbezahltesten Berufe in Deutschland an. Ich nehme hierzu mal die Angaben aus der
Süddeutschen Zeitung.
10. Koch
9. Kellner/Stewardess
8. Fleisch-/Wurstwarenhersteller
7. Gästebetreuer (Portier, Barkeeper, Buffetkräfte etc.)
6. Wachschutz
5. Zimmermädchen u.ä.
4. Putzfrauen (Büro, privat)
3. Glas- und Gebäudereiniger
2. Textilreiniger
1. Friseur/Friseurin
Auffällig hier: Es sind zumeist Dienstleistungen die man "sich gönnt", die man selbst auch erledigen könnte, sich aber nicht unbedingt zumuten möchte, die "nice to have" aber nicht unbedingt unverzichtbar sind. Man bräuchte nicht unbedingt großes Fachwissen oder eine gründliche Ausbildung dafür. Klassische" schnell mal rein und schnell wieder raus"-Jobs für z.B. Studenten oder gering Qualifizierte. Eine überschaubare Einzelverantwortung und relativ hohe Austauschbarkeit.
Wenn wir davon ausgehen, dass das gesellschaftliche Gesamtbudget von uns als Kunden in etwa dem entspricht was momentan für diese Dienstleistungen ausgegeben wird - wie wird sich die Nachfrage nach diesen Dienstleistungen entwickeln, wenn sie nun teurer werden?
Ich habe mir z.B. vor Kurzem eine Haarschneidemaschine gekauft. Nicht aus finanziellen, sondern aus rein praktischen Gründen. Ich hatte halt keine Lust mehr darauf, wenn ich mal Zeit habe, von Friseur zu Friseur zu rennen und dort in 3 von 4 Fällen auf einem Termin bestanden wird. Mein Haupthaar ist, Kurzhaarschnitt sei Dank, so pflegeleicht, dass auch meine Frau mir das mal kurz stutzen kann. Auch wöchentlich, was rein optisch sehr angenehm ist. Jetzt entgehen den Friseurinnen die sonst sechswöchentlich fälligen 15 Euro (plus 3 Euro Trinkgeld). Auf diese Idee können andere auch kommen, wenn der Haarschnitt nun z.B. 20 Euro kosten würde.
Wie oft "braucht" man einen Koch? Die Lebensmittelpreise steigen, die Energiekosten auch - und damit selbstverständlich auch (überproportional) die Preise auf der Speisekarte. Es wird eh schon genug gemeckert, dass ein Restaurantbesuch zum Luxus wird - man kann doch auch daheim was Schönes machen.
Muss das Büro eigentlich täglich gesaugt werden? Reicht da nicht 1x pro Woche? Und mit dem Lappen über den Schreibtisch gehen, kriegt auch die Sachbearbeiterin zwischendurch mal hin. Da kann man schon sparen, wenn man will.
Müssen da eigentlich 2 Wachleute beschäftigt werden, wenn doch einer plus ein paar Kameras auch ausreichen würde?
Und so kann man sich zu jedem schlechtbezahlten Job auch ein Einsparszenario ausdenken. Denn eins ist sicher, das Gesamtbudget für solche Dienstleitungen wird nicht mit einem Mindestlohn wachsen. Es wird das passieren, was Mises schon vor über 50 Jahren in seinen Vorlesungen beschrieb.
Er hat aber auch noch etwas Grundlegendes nach dem oben zitierte Absatz ausgeführt:
"In Großbritannien war das Ergebnis der hohen, von den Gewerkschaften erzwungenen Löhne eine anhaltende, Jahre dauernde Arbeitslosigkeit. Millionen von Arbeitern waren arbeitslos, die Produktionsziffern sanken. Sogar die Sachverständigen waren verblüfft. In dieser Lage entschloss sich die Regierung zu einer Maßnahme, die sie für unvermeidlich hielt: Sie wertete die Währung ab.
Die Nominallöhne, auf denen die Gewerkschaften bestanden hatten, verloren damit an Kaufkraft. Die Reallöhne sanken." (a.a.O., S.95)
Es ist nicht undenkbar, dass die Politik mit dem Einschwenken auf die linke Linie des Mindestlohnes schon etwas vorwegnehmen möchte, was die wirtschaftlich schwächeren Länder des Euroraums so vehement fordern. Die Abwertung des Euro. Diese würde wenigstens etwas erleichtert, wenn die unteren Einkommensschichten nicht so schnell auf die untragbar gewordenen Preissteigerungen verweisen würden.
Und interessant daran wäre, dass die heute so vermeintlich sozial denkend Mindestlöhne fordernde Mittelklasse (auch ein Mindestlohn brächte die heutigen Geringverdiener ja nicht wirklich in unangemessene Nähe des eigenen, sicherlich als verdient empfundenen Engeltes), die Verlierer dieser eingepreisten und angestrebten Inflationierung wären. Es wäre politisch ja nur eine definitive Lohn-Untergrenze eingezogen worden. Die heutigen Mittelklassegehälter blieben bei steigender Preisinflation ja erst einmal unberührt.
Herzlichen Glückwunsch!