Montag, 26. September 2011

Freiheit die ich meine

Die Piratenpartei ist in Berlin an- und die FDP dort unter die Räder gekommen. Beides betrachte ich mit gemischten Gefühlen.
Die FDP hat die Quittung dafür bekommen, dass sie (die Führung zumindest) ihre Wähler verprellt hat. Wo vor (und nach) der letzten Bundestagswahl noch Hoffnung auf eine liberalere Politik unter schwarz-gelb herrschte, wurde diese leider schwer enttäuscht. Kein bürgerlicher Aufbruch - nirgendwo.
Mitnichten lag jedenfalls das desaströse Abschneiden der FDP an den zarten Ordnungsrufen Phillip Röslers in Bezug auf die ungebremste Steuergeldverschleuderung zur "Rettung" Griechenlands. Auch wenn das die Konkurrenz gern so vermitteln will.

Im Gegenteil: Normalerweise sollte jeder Partei, die in der Euro-Rettungsfrage NICHT mit dem Strom der toten Fische schwimmt, ein Wählerpotential im mittleren zweistelligen Bereich zuzutrauen sein. Nur ... man traut ihr halt nicht mehr, dieser FDP. Ist leider so. Wenngleich das Thema im Hauptstadtwahlkampf wohl auch so nicht sehr entscheidend war.

Aber die Piraten haben es geschafft. Aus dem Stand. SIE haben ihre Wähler mobilisiert und wohl auch bisherige Nichtwähler zum Urnengang motiviert. Und das mit einem Thema, welches doch ein absolut liberales ist:

Freiheit nämlich.

Freiheit im Netz erstmal. Also im gemeinsamen Lebensraum der Piraten, ihrer Wählerschaft, und einer wachsenden Anzahl der Mitbürger hierzulande. Aber klingelt's? Da fühlen sich Menschen in ihrer Freiheit bedroht, befürchten Einschränkungen und Reglementierungen in einem Raum, der ihnen wichtig ist.
Nicht durch finstere Kapitalisten, denn denen zeigen sie sehr schnell wer die wirklichen Machthaber sind. Einfach durch Liebes- und Geldentzug. Nein, die Freiheit wird durch den Staat bedroht, und das wird auch so wahrgenommen.

Wir haben im Netz doch genau das, was Liberale einen freien Markt nennen. Und dieser wird nicht durch seine Akteure gefährdet, die als Anbieter und Nachfrager nunmal aufeinander angewiesen und voneinander abhängig sind, sondern die Gefahr kommt von Seiten der Politik.

Wie im Netz, so auch im Leben. Aber warum hat die einzige liberale Partei in Deutschland es versäumt, genau an dieser Stelle mal darauf hinzuweisen dass wir mit dem Internet endlich einen noch nicht politikverseuchten Bereich haben, bei dem man mal exemplarisch sehen kann wozu der freie Markt fähig ist?
Dass Verzerrungen und Ungerechtigkeit erst entstehen, wenn das freie Wechselspiel von Angebot und Nachfrage durch steuernde staatliche Eingriffe behindert wird?

Ist die FDP vielleicht einfach schon zu sehr im politischen Machbarkeitsdenken aller Parteien verstrickt, dass sie gar nicht mehr dazu fähig ist zu erkennen, dass die so verpönte Marktradikalität hier ein gutes Beispiel gefunden hat? Ich meine, dass gerade hier ein gutes, vielleicht das beste Thema aufzugreifen gewesen wäre um den Leuten zu zeigen, wie wichtig und wertvoll die Freiheit ist. Es hätte eine Wiederbelebung des Liberalismus werden können, wenn man zuerst für die Freiheit im Netz eingetreten wäre um dann auch zu zeigen, dass Freiheit dort nicht aufhört.

Denn dort endet sie anscheinend bei der Piratenpartei. Oder was soll ich von deren Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen, oder der kostenlosen Nahverkehrsnutzung halten? Wer soll die bedingungslosen Einkommensbezieher und die arbeitenden Angestellten der Verkehrsbetriebe denn bezahlen? Wer kommt für Gerät und Treibstoff auf?

Der Staat, der eben noch so ungeliebte? Wo soll der das Geld dafür denn hernehmen? Aus Steuern? Egal, Hauptsache von anderen? Wie wäre es mit einer Internetbenutzungssteuer? Eher nicht, oder? Also wem soll er was wegnehmen? Wem soll der Staat für eure Freiheit die seinige, das verdiente Geld so einzusetzen wie er es für richtig hält, nehmen?

Freiheit auf Kosten anderer ist keine Freiheit, das ist Schmarotzertum. Und auf staatliche Gewalt gestütztes Schmarotzertum ist nochmal erbärmlicher. Wer sich Freiheit auf die Fahnen geschrieben hat muss sich im Klaren darüber sein, dass sie auch für alle anderen gelten, und fortwährend verteidigt werden muss. Gerade auch gegen das kalte Ungeheuer Staat.

Dass die arrivierten Kartellparteien nicht engagiert gegen ihren fürsorglichen Arbeitgeber und Postenbeschaffer vorgehen werden, sollte jedem klar sein. Von daher war es gut, dass es endlich mal wieder eine neue Truppe mit frischem Personal in die abgesteckten politischen Reviere eingebrochen ist. Schön auch, dass das Kernthema dieser Partei durchaus ein liberales ist. Schade ist jetzt aber, dass das schnell dazugewerkelte Füllprogramm (um nicht als 1-Punkt-Partei dazustehen) sich wieder einmal am linken Gutmenschen-Mainstream orientiert.

Vielleicht wird es ja noch. Vielleicht braucht die FDP noch mehrere Einstufungen unter "Sonstige" um sich wieder auf ihr Kernthema Freiheit (vor dem Staat, für den Markt) zu besinnen.
Vielleicht steht der Piratenparte aber auch eine Metamorphose zu einer wirklich freiheitlichen Partei bevor, wenn sie merkt, dass als Gegengewicht zu einer schon weitgehend sozialdemokratisierten Union nicht noch eine vierte linke Partei gebraucht wird.

Bis dahin hoffe ich wenigstens auf die Verteidigung der Netzfreiheit durch die Piraten ... leider nur der Spatz, und der noch nicht mal auf der Hand.

Aber man wird bescheiden.


P.S. Tut mir leid, dass ich so lange abwesend war. Bis hier einige wichtige Dinge im RL zum Abschluss gebracht wurden, wird es wohl leider auch in der nächsten Zeit kaum besonders hochfrequent werden. Hab den Kopf einfach nicht frei.
Aber das Ende der Trubelzeit ist schon langsam absehbar. ... Calimero

5 Kommentare:

  1. Seit mehr als 2 Jahren frage ich: "Was wählen". Ich habe mir auch das Programm der Piraten angeschaut und mich dann enttäsuscht und angewidert abgewandt. Tenor: "Ich darf alles. DU/SIE zahlen". Nun ja nun sitzen Sie in Berlin und haben dieses Ziel erreicht. Viel machen brauchen Sie nicht mehr und wir zahlen. Des Piratenschlaraffenland mit einem kleinen Sahnehäubchen "Rauben OHNE RISIKO". Pirat was willst Du mehr?

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  2. @Friedrich:

    Exakt auf den Punkt gebracht. Chapeau!

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  3. Ein wirklich freies Netz will auch die Piratenpartei nicht. Mit der Macht des Staates wollen sie durchsetzen, dass z.B. Bittorrent-Pakete ebenso schnell (bzw. langsam) durch die Router der Provider wandern wie Videostreams.

    http://web.piratenpartei.de/node/1389/52768

    Beim Thema Urheberrecht kommen sie ebenfalls mit einem umfassenden Verbot und begründen das u.a. damit, dass es neue, innovative Konzepte gibt, man die der Großkonzerne also nicht benötige. Dass die Nutzer die nötige Intelligenz mitbringen, um sich selbst für den einen oder anderen Anbieter zu entscheiden, das erkennt man auch in dieser pseudo-freiheitlichen Partei nicht.

    http://web.piratenpartei.de/navigation/politik/urheberrecht-und-nicht-kommerzielle-vervielfaeltigung

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  4. @ calimero
    du kommst mir so vor wie der einzelfall (einzelfaelle.net).
    mach deinen kopf wieder frei! alles gute dabei wünscht dir ein anonymer schweizer

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  5. Hallo anonymer Schweizer,

    ich weiß nicht was mit dem Einzelfaelle-Blogger ist, aber bei mir ist es was ganz profanes.

    Neuer Job, neuer Wohnort. Das ganze in ein paar Wochen. Da ist viel altes zu beenden und neues zu beginnen. Planen, Termine setzen etc.
    Und über 400 km wuppt man das auch nicht gerade an einem sonnigen Vormittag mit drei Kumpels und 'nem Miet-LKW. ;-)

    Es fehlt einfach Zeit und Muße fürs Bloggen. Ich komme gerade mal so mit dem Lesen hinterher, in diesen doch recht spannenden Zeiten.

    Beste Grüße, Calimero

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